Hochwasser, Küstenschutz und Versicherungen in Zeiten des Klimawandels

Auch die Ostsee kann aufbrausend sein... | Foto: © Udo Schroeter | Pixabay

Sturmfluten treten an der Ostsee deutlich seltener auf als an der Nordsee. Doch am 20.10.2023 war es mal wieder so weit. Und wie:


Das Sturmhochwasser (so lautet der Fachbegriff, da es in der Ostsee keinen signifikanten Tidenhub und somit keine “Sturmfluten” im eigentlichen Sinne gibt #kneipenquizwissen) war das schwerste Hochwasser seit 1872. 


In Flensburg stieg das Wasser auf 2,27 Meter über dem Normalwert. An mehreren Stellen kam es zu Deichbrüchen; Boote und küstennahe Gebäude wurden stark beschädigt oder zerstört. Leider kam auch eine Person ums Leben. Über 2000 Einsatzkräfte waren im Einsatz.


Die Ursache der Sturmflut


Ursache für das Sturmhochwasser war laut Deutschem Wetterdienst der Luftdruckunterschied zwischen einem Tiefdruckgebiet über Westeuropa und einem Hoch über Skandinavien. Diese Konstellation erzeugte ein Starkwindfeld über der gesamten Ostsee. Der Ostwind trieb das Wasser in Richtung der westlichen Ostseeküste.


An der Nordseeküste sorgte der Sturm für ein seltenes Phänomen: eine Sturmebbe. Das Wasser wurde von der Küste weg in Richtung offenes Meer gedrückt. Die Folge: Außergewöhnlich niedrige Wasserstände, sogar im Hamburger Hafen.


Ostseesturmflut: Wie groß sind die Schäden?


Die Aufräumarbeiten und Schadensanalysen laufen noch. Bisher gibt es nur grobe Schätzungen, die einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag erwarten. Neben Deichbrüchen, zerstörten Straßen und Wegen kam es auch zu Schäden an Booten, Hafenanlagen, naheliegenden Gebäuden und der Stromversorgung. Allein an Yachten gebe es rund 2000 Schäden, davon 10 bis 15 Prozent Totalschäden. An den Küstenschutzanlagen in Mecklenburg-Vorpommern sei Sand im Wert von rund 6 Millionen Euro weggespült worden.


Bei Sturmflut versichert? Alles andere als sicher!


“Wer zahlt?” Die Debatte um Versicherungen, Entschädigungen und Hilfszahlungen folgt auf fast jede Naturkatastrophe.


Für das jüngste Ostseehochwasser gilt: Weder der Bund, noch das Land, noch die Gemeinden haften für Schäden an privaten Gebäuden.


Doch die Regierungen der betroffenen Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben angekündigt, den Wiederaufbau zu unterstützen. Zugleich haben sie den Bund bereits um Hilfe gebeten.


Die Kieler Landesregierung wird in Kürze über einen Wiederaufbaufonds beraten. Wenn eine Versicherung den Schutz aufgrund einer "hochwassergefährdeten Gebäudelage” verwehrt, will die Regierung diese als Härtefälle betrachten und direkt unterstützen.


Für Sturmfluten galt bisher: Hausratversicherung und Gebäudeversicherung sind nicht genug. Denn im Normalfall decken diese nur den Hausrat sowie Schäden durch Feuer, Einbruch, Leitungswasser, Sturm und Hagel ab.


Kein Wunder, dass immer öfter der Begriff “Elementarversicherung” fällt. Eine solche Naturgefahrenversicherung ist allerdings bisher nur als Zusatz zu einer Hausrat- oder Gebäudeversicherung buchbar.


Das Absurde: Sturmfluten fallen nicht unter “Elementarschäden”. Muss man nicht verstehen…


Laut NDR gibt es derzeit nur eine Versicherung, die überhaupt eine echte Sturmflutversicherung anbietet. Diese ist wiederum nur als Zusatz zu einer Elementarversicherung erhältlich. Sie werde derzeit nur von 2% der in Frage kommenden Personen genutzt, vermutlich aus Kostengründen.


Letztendlich werden viele Betroffene der Ostseesturmflut 2023 wohl auf ihren Kosten sitzen bleiben. 


Ach, Deutschland…


Unsere dänischen Nachbarn zeigen, dass es auch anders geht:


Dänemark: Gemeinsamer Fonds für Sturmflutschäden


Dänemark unterhält einen Fonds für Schäden durch Sturmflut und Überschwemmungen. Dieser Fond greift bei besonders schweren Naturereignissen, die weniger als alle 20 Jahre vorkommen.


Über die Einstufung einer Ereignisses entscheidet eine unabhängige Kommission, indem sie die Pegelstände und Schäden analysiert. Das jüngste Sturmhochwasser hat man bereits entsprechend bewertet.


Finanziert wird die Sturmflutkasse durch die Hauseigentümer selbst. Jeder Besitzer einer Feuerversicherung zahlt im Jahr umgerechnet etwa vier Euro. Ist zu wenig Geld in der Kasse, zahlt jeder umgerechnet 7 Euro, bis der Wert von 500 Millionen Kronen (etwa 77 Millionen Euro) wieder erreicht ist. Vor der jüngsten Sturmflut soll die Kasse mit ca. 140 Millionen Euro allerdings gut gefüllt gewesen sein.


Die Besitzer melden ihre Schäden online an und müssen dann je nach Hausart eine Selbstbeteiligung zahlen: Rund 700 Euro für Privat, 1400 Euro für Ferienhäuser und 2000 Euro für Gewerbegebäude.


Übernommen werden alle Schäden, die durch das Wasser entstanden sind. Nicht abgedeckt sind hingegen Küstenabbrüche oder Erdrutsche.


Sollten die Mittel des Fonds nicht ausreichen, greift die Staatsgarantie und der Staat übernimmt den Rest.


Ein Modell für Deutschland?


Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat immerhin angekündigt, dass er sich für eine bundesweite Elementarschadenversicherung einsetzen will, die auch Sturmflutschäden abdeckt.


Eines ist klar: Das Thema Versicherung in Zeiten des Klimawandels wird uns weiter beschäftigen.


Wie steht es um den Hochwasserküstenschutz an der Ostsee?


In Schleswig-Holstein gilt der Generalplan Küstenschutz (zuletzt fortgeschrieben 2022). Seit 2019 läuft zudem das Projekt “Gesamtstrategie Ostseeküste 2100”. Wissenschaftler von der Uni Kiel und der TU Hamburg-Harburg arbeiten an einem modernen Küstenschutzkonzept. Ein hydromorphologisches Gutachten soll aufzeigen, wie sich die Ostsee bis 2100 entwickeln wird und welche Stellen besonderen Schutz brauchen.


Ausblick: Stürmische Zeiten voraus?


Zwei Faktoren werden die künftigen Ostseesturmhochwasser entscheidend mitbestimmen:


Der Meeresspiegelanstieg und die Windverhältnisse. Letztere haben sich in der Region bisher noch nicht signifikant verändert, doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein.


Der steigende Meeresspiegel erhöht das Ausgangsniveau und sorgt so dafür, dass weniger Windstau erforderlich ist, um ein Sturmhochwasser entstehen zu lassen. Als Folge könnten vor allem leichte Sturmfluten künftig häufiger auftreten. Zudem dürfte die globale Erwärmung größere Niederschlagsmengen verursachen und stärkere Stürme ermöglichen.


Fazit:


Ostseesturmhochwasser gab es auch vor dem menschengemachten Klimawandel. Dieser könnte künftig jedoch dazu führen, dass die Sturmfluten in der Ostsee häufiger und heftiger auftreten.


Eines ist klar:


In puncto Adaptation und Klimaresilienz gibt es noch viel zu tun. Dazu gehört nicht nur ein moderner und vorausschauender Küstenschutz, sondern auch ein zeitgemäßes Versicherungssystem mit klaren Regelungen für den Fall der Fälle.


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